Der Wiedehopf ist zurück in Brandenburg

Wiedehopf sitzt auf einem Ast© Ingolf König

Verhältnismäßig früh ist der Wiedehopf in seine Brandenburger Brutgebiete eingeflogen. Kurzfristig ist dies für die Vögel kein Problem. Langfristig jedoch stellen solche Phänomene die Natur vor große Herausforderungen.

Seit Anfang April hupt er wieder: Der Wiedehopf mit seinem unverwechselbaren Gesang und Federkleid ist zurück in seinen Brandenburger Brutgebieten. „Ich bin überrascht, dass der Wiedehopf bei uns in Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide so früh im Jahr bereits derart aktiv ist", sagt Tim Funkenberg, Biologe und Wiedehopf-Experte bei der Heinz Sielmann Stiftung: „Nicht selten hören und sehen wir Wiedehopfe erst ab Mitte April in größerer Zahl.“

Vögel können mit Kälteeinbrüchen umgehen

Was den Wiedehopf zu seiner relativ frühen Rückkehr bewegt hat, darüber kann auch der Experte nur spekulieren. „Der Wiedehopf orientiert sich – wie alle Zugvögel – an Umweltfaktoren, wie zum Beispiel der Witterung und dem Nahrungsangebot, und gleicht diese mit seiner inneren Uhr ab“, sagt Funkenberg. Grund zur Sorge sei die zeitige Rückkehr der Vögel jedenfalls nicht. Falls es nun wieder kühler wird, wie es die Wettervorhersage ankündigt, sollten die Tiere damit gut zurechtkommen. „Problematisch wird ein plötzlicher Kälteeinbruch nur, wenn die Vögel bereits mit der Brut begonnen haben“, so der Experte. Denn dann kann es passieren, dass sie zu wenige Futterinsekten für ihre Küken finden.

„Vögel haben eigene Strategien, um selbst in kühlen Phasen Insekten zu finden, und kommen mit Temperatursprüngen im Frühjahr in aller Regel gut zurecht“, sagt auch Dr. Hannes Petrischak, Leiter des Geschäftsbereichs Naturschutz bei der Heinz Sielmann Stiftung. Wirklich problematisch seien lediglich starke Fröste, die jetzt im April durchaus noch vorkommen könnten.

Folgenreiche Verschiebungen im Jahreslauf

Auf lange Sicht jedoch stellt der Klimawandel und dessen Einfluss auf die Jahreszeiten die Natur vor große Herausforderungen. „In der Fachwelt spricht man von Mismatches“, erklärt Petrischak. „Das bedeutet, dass Arten, die aufeinander angewiesen sind, in ihrem Jahreslauf auseinanderdriften.“ Obstbäume blühen dann mitunter, bevor Insekten aktiv und zur Bestäubung bereit sind. Und Insekten sind bereits aktiv und weiterentwickelt, wenn Zugvögel zurückkehren, die eigentlich deren Raupen als Futter brauchen. In diesem Frühjahr sei das Risiko für solche Mismatches besonders hoch, warnt Petrischak: „Die meisten Tiere und Pflanzen sind ihrem üblichen Jahreslauf um mindestens zwei bis drei Wochen voraus.“

Pflegemaßnahmen gerade rechtzeitig durchgeführt

Der Wiedehopf braucht warme, trockene Flächen mit niedrigem Bewuchs. Die Brandenburger Heidelandschaften bieten ihm ideale Bedingungen: In dem Bundesland lebt rund die Hälfte aller Wiedehopfe Deutschlands. In seinen Verbreitungsgebieten sucht der Wiedehopf mit seinem langen gebogenen Schnabel am Boden nach Nahrung: Großinsekten, aber auch schon mal kleine Wirbeltiere.

Zum Überleben braucht der Wiedehopf außerdem geeignete Nistplätze. Dazu dienen ihm Spechthöhlen, aber auch menschliche Strukturen wie Steinhaufen oder Bretterstapel. In der Döberitzer und der Kyritz-Ruppiner Heide sowie Wanninchen stellt die Heinz Sielmann Stiftung gezielt Brutkästen auf, um den Wiedehopf zu unterstützen. Vor Beginn der Brutsaison werden die Kästen von Mitarbeitenden kontrolliert und instandgesetzt. „Ich bin heilfroh, dass wir das in diesem Jahr bereits vor Ostern erledigt haben“, sagt Tim Funkenberg angesichts der frühen Ankunft der Vögel.

Seit vier Jahren beringt der Experte außerdem gemeinsam mit einem Ehrenamtler die neu geschlüpften Wiedehopfe, um deren Zahl zu überwachen. Dabei zeigt sich der große Erfolg der Schutzmaßnahmen: Während etwa in der Döberitzer Heide vor drei Jahren noch 14 Jungvögel registriert wurden, waren es im vergangenen Jahr bereits 56. Dank solcher Schutzprojekte hat sich der Gefährdungsgrad des Wiedehopfs in Deutschland von „Vom Aussterben bedroht“ (2002) hin zu „gefährdet“ (2021) abgeschwächt.

Weitere Informationen unter https://www.sielmann-stiftung.de/natur-schuetzen/tierwelt/wiedehopf

 

KURZ NACHGEHAKT

Drei Fragen an Dr. Hannes Petrischak, Leiter des Geschäftsbereich Naturschutz bei der Heinz Sielmann Stiftung

Wie kommen Zugvögel damit zurecht, wenn es früher als gewöhnlich im Jahr warm wird und die Vegetationsperiode zeitiger einsetzt?

Das kommt auf das Zugverhalten der Vögel an. Kurz- und Mittelstreckenzieher, zu denen etwa Hausrotschwanz, Star oder Kranich gehören, haben damit weniger Probleme. Sie überwintern im Mittelmeerraum oder im nördlichen Afrika. Kommt es in ihrem Brutgebiet, also bei uns, zu Temperaturabfällen im Frühjahr, können sie darauf sehr flexibel reagieren: Sie weichen dann für die Dauer der Kälteperiode eventuell in ein wärmeres Gebiet aus. 

Welche Vögel bekommen Probleme durch einen frühen Frühling?

Eindeutig die Langstreckenzieher wie Mauersegler, Kuckuck oder Gartenrotschwanz. Sie überwintern in fernen Gebieten, etwa südlich der Sahara. Bei diesen Arten ist der Zeitpunkt des Vogelzugs stark genetisch verankert – sie können ihr Verhalten also kaum oder gar nicht den veränderten klimatischen Bedingungen anpassen. Jedoch sind sie oft auf Raupen als Futterquelle angewiesen. Wenn sich Insekten in unseren Breiten wegen des frühen Frühjahrs jedoch bereits früher entwickelt haben, finden die Langstreckenzieher nicht mehr das gewohnte Futter vor und haben es schwerer, ihren Nachwuchs großzuziehen. Zu den gefährdeten Vogelarten zählen heute vor allem Langstreckenzieher.

Was ist mit dem Wiedehopf?

Der Wiedehopf ist ebenfalls ein Langstreckenzieher: Er zieht für den Winter bis in die Sahelzone südlich der Sahara. Mit seiner besonderen Vorliebe für trockene, warme Heide- oder Steppenlandschaften zählt er übrigens zu den wenigen Arten, die von der globalen Erwärmung langfristig in gewisser Weise profitieren – zunehmende Dürreperioden begünstigen genau diese Landschaftsformen.

 

Zur Person

Dr. Hannes Petrischak, Jahrgang 1973, ist Biologe und leitet seit 2016 den Geschäftsbereich Naturschutz der Heinz Sielmann Stiftung. Er ist Autor viel beachteter Sachbücher, zuletzt erschien von ihm der Naturführer „Gartentiere lebensgroß“ (Kosmos Verlag 2024).

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